Auf die Mensur

Wie es ist, mit 51 Jahren noch einmal auf Mensur zu stehen

Impression vom Paukboden (Alle Rechte vorbehalten)

Allgemeines zur Mensur

Eine Mensur ist eine studentische Fechtpartie mit festem Abstand zwischen den Paukanten und mit scharfen Waffen. Das wäre eine mögliche Definition. Im Gegensatz zum Sportfechten werden sogenannte Schläger benutzt, entweder mit Glocke oder Korb als Schutz vor dem Griff. Die Paukanten bleiben während der gesamten Partie auf gleichem Abstand zueinander und bewegen nur den Oberkörper, genauer gesagt nur den Schlagarm. Bis auf Teile des Kopfes sind alle anderen Körperteile geschützt. Halsabwärts steckt der Paukant in einem Kettenhemd samt Halskrause, darunter eine Jacke aus Kevlar bzw. Kevlar verstärktem Material. Der Kopf bzw. die Augenpartie wird durch eine Metallbrille mit Nasenblech geschützt. Die Gehörgänge werden durch den Brillenriemen bedeckt. Wie das ganze dann aussieht kann man hier sehen. Weitere Details zur Mensur kann man im Wikipedia-Artikel Mensur (Studentenverbindung) nachlesen.

Zu meiner Person

Wie es der Titel bereits verrät, bin ich zur Zeit (2023) 51 Jahre alt und Alter Herr in einer pflichtschlagenden Studentenverbindung. Jedoch trage/trug1 ich kein Burschenband, sondern eine Corpsschleife. Ich kam erst spät zum Corps, hatte bereits eine berufliche Laufbahn und konnte so nur eingeschränkt aktiv sein und Partien schlagen. In meiner Verbindung sind fünf ziehende Partien gefordert, ich schaffte “nur” drei. Bei der Philistrierung tauschte ich das dreifarbige Band gegen die Corpsschleife (AHIdC).

Ich habe mich nun entschlossen die zwei fehlenden Partien zu schlagen und so das Band wieder zu bekommen. Diesen Wunsch habe ich im Kreis der Aktiven geäußert und zwei mögliche Gegenpaukanten für Bestimmungsmensuren gefunden. Ich musste mich nun also nur noch einpauken. Es ist weiterhin klar, dass in meinem Alter eigentlich keine Mensuren mehr geschlagen werden. Mir ist aber auch bekannt, dass es durchaus Personen gibt, die auch in höheren Semestern fechten2.

Impression vom Paukboden - Fechthandschuhe, Stulpen und Fechtmasken (Alle Rechte vorbehalten)

Vorbereitungen

Meine letzte Partie war vor sechs Jahren - und schon die war eher mäßig. Technik und Kondition sind seitdem bestimmt nicht besser geworden. Also so auf zum Paukboden und erst einmal Schläger und einigermaßen passenden Handschuh gesucht. Es ist Sommer, Halsbandage bleibt zunächst ab. Aufwärmen, Dehnen - wie ging das nochmal? Ein paar Gänge am Phantom - Hand tut weh. Super Anfang. Morgen kommt der Fechtmeister. Das war das erste, aber nicht letzte Mal, an dem ich glaubte, dass das hier eine ganz blöde Idee war. Aber nach einer Woche wurde es besser. Muskelkater bleibt, Handgelenk tut weh, Technik wird langsam wieder. Vorsetzen! Kondition bleibt schlecht. 30 Gänge? Schaffe ich nicht. Liegestütze, Tauben stechen (no pigeon was hurt), eine Woche krank. Halsbandage, Kontra-Pauken, atmen! abdehnen. 30 Grad, Kettenhemd. Bloß nicht verpauken und in den letzten Tagen absagen müssen. Horizontalquart klappt schlecht (Siehe 4.; S.57), nicht vorgesetzt, schneller. Brille setzen 15 Gänge - gehen so. Mit einer oder zwei Pausen könnte es gut klappen. Auf jeden Fall bin ich dicht, selten kommt ein Hieb durch. Keine Experimente, hoch liegen, vorsetzen.

Die Mensur

Am Mensurtag ist es schwül-warm, im Pauklokal wahrscheinlich über 30 Grad, Luftfeuchtigkeit: keine Ahnung - schlimm. Alles raucht. Der Unparteiische der ersten Partie fordert das Rauchen einzustellen und zu Lüften. Bei offenen Fenstern ist kein Unterschied in der Klimatisierung zu merken. Meine Partie ist die vierte des Abends, also gegen 22.00 Uhr, wahrscheinlich später. Viel Publikum, Corpsbrüder wünschen mir Waffenschwein. Langsam könnten wir einpacken, aber der Vorbereitungsraum ist noch besetzt. Aber dann … einpacken, warm machen, nicht zu viel Kraft verlieren. Kurzes Kontra-Pauken, dann geht es raus. Noch mehr Waffenschwein. Der Gegenpaukant ist noch nicht da. Wir haben heute schon miteinander gesprochen und uns verabschiedet mit: “Wir sehen uns - durch die Brille.”

Aber auch er erscheint, flaches Brett als Höhenausgleich, Brille setzen, die Sekundanten annoncieren die Partie. “Bitte Mensur zu nehmen”. Erster Gang ist Ehrengang, es fallen keine scharfen Hiebe. An dieser Stelle bloß nichts vergeigen und voll Adrenalin losschlagen. Sekundant springt rein: “Halt!”. Jetzt geht es los! Ich schlag an, er dreht ab. Wir sind schnell, aber im Takt. Habe anfangs das Gefühl von der Klinge leicht getroffen zu werden. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass sich die Klinge des Gegners um meine Verhängte gebogen hat und es deshalb zu einer leichten Berührung der Klinge mit dem Kopf kam. Zehn Gänge, der Arm wird schwer. Die Gegenseite nimmt eine Pause. Wir also auch. Weiter. Ich probiere sie doch, die Horizontalquart, gleich nach Pause flüstert mein Schlepper mir zu: Probiers jetzt! Ich mach’s, aber die Gegenseite ist dicht. Also weiter mit Hochquarten. “Hoher Unparteiischer, wie spät? Es wurden 13,5 Minuten geschlagen.” Also nur noch drei Gänge. Ich bin durch. “Es wurden 15 Minuten ausgepaukt, Partie ex, Silencium ex.” Das war’s, Brille ab, große Freude, auspacken, Mensur-Convent.

Der Mensur-Convent beschließt, dass die Partie in allen Belangen gezogen hat. Ich bin völlig durchgeschwitzt, aber glücklich. Das war also meine vierte Partie. Mit meinem Gegenpaukanten trinke ich noch ein Bier. Wir sind beide zufrieden. Eine halbe Stunde später sehe ich der letzten Partie des Abends zu, kann es kaum fassen, dass ich gerade noch da gestanden habe.

Vielen Dank an mein Mensurteam, ihr wart großartig!

Glockenschläger (Alle Rechte vorbehalten)

Motivation für diese Webseite

Warum schreibe ich das hier auf? Ich möchte einen einigermaßen sachlichen Bericht aus erster Hand liefern. Als Gegengewicht zu all dem Hören-Sagen, was verbreitet wird und leider auch abgedruckt. Personen, die nie eine Mensur geschlagen haben oder auch nur ein Verbindungshaus von innen gesehen haben, erzählen, was alles falsch läuft und wie schlimm alles ist bei der Mensur und das diese eigentlich verboten gehört. Akademisches Fechten ist für viele ein Sport, der mit Training gut beherrschbar ist. Viele Verbindungsstudenten bereiten sich sorgfältig und lange auf die Partien vor, teilweise mit einem Fechtlehrer. Bei den Partien sind Paukärzte anwesend und die Paukanten sind gut geschützt. Ich schätze das Verletzungsrisiko ist keinesfalls höher als in anderen vergleichbaren Sportarten. Wer schlecht vorbereitet ist, wird bei jedem Sport und ganz allgemein bei jeder nicht alltäglichen Tätigkeit Probleme bekommen.

Literatur und weitere Quellen

Für alle, die sich noch etwas einlesen möchten:

  1. Die Hiebfechtkunst, Ludwig Caesar Roux

  2. Akademische Fechtschule, Friedrich und Christian Seemann-Kahne

  3. Codex Amberger, D.Hagedorn & J.C.Amberger

  4. Das akademische Fechten Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Naturwissenschaften, M.Totz. 2009

  5. Die kleine studentische Fechtfibel, G.Geilke, 2006

  6. Die den Kopf hinhalten Artikel aus der FAZ, 2013

Fechthandschuh (Alle Rechte vorbehalten)

Footnotes

  1. Ich habe mich reaktiviert und mit Aussicht auf Erfüllung der Pflichtpartien konnte ich mein Band wieder tragen.↩︎

  2. Allen voran dieser: Ein Mann bekennt Narbe, Ergänzung am 20.3.2024 Schlagende Verbindungen: Blutige Zweikämpfe locken Hunderte nach Berlin, Ergänzung am 21.3.2024 Blut, Schweiß und Desinfektionsmittel! – Die „geheimen“ Mensuren von Berlin.↩︎